Hallo Thoralf Merkel,
liebe Mitdiskutanten,
Ihre Beobachtungen kann ich nicht nachvollziehen. Es geht aus meiner Sicht überhaupt nicht um Angebot und Nachfrage für Meinungsäußerungsgelegenheiten.
Meine Kritik an undemokratischen Löschungen ist radikaler. Ich betrachte Demokratie nicht als Ensemble aus Institutionen und Formalien, sondern als Lebensform, als Lebensstil. Und zum Lebensstil eines Demokraten gehört es einfach, daß die Menschenrechte und Grundfreiheiten gelten, daß er sie in Anspruch nimmt und wo nötig verteidigt. Wer die Demokratie als persönliche Lebensform angenommen hat, der käme nicht im Traum auf die Idee, seinen Gästen in seinen eigenen vier Wänden eine Meinung aufzuzwingen oder sie verfassungswidrig in der Freiheit ihrer Meinungsäußerung zu behindern. Dabei fragt er gar nicht, ob er durch Artikel 5 des GG persönlich juristisch in Pflicht genommen werden kann - er hat ja die Meinungsfreiheit als kostbare Wertentscheidung unserer Verfassung verinnerlicht, und aus diesem demokratischen Selbstverständnis folgt dann alles andere von selbst.
Umgekehrt gibt es für einen Demokraten im öffentlichen Raum auch keine Nischen, in denen die Wertentscheidungen unserer Verfassung nicht gelten. Die Meinungsfreiheit gilt als Wertentscheidung unserer Verfassung im gesamten öffentlichen Raum. Niemand ist berechtigt, in der Öffentlichkeit anderen verfassungswidrig ihre Meinung zu beschneiden. Und ein offenes Internet-Forum wie das der CDU ist Teil des (virtuellen) öffentlichen Raums. Man darf als Demokrat aber überhaupt nicht dulden, daß in der Öffentlichkeit eigene oder fremde Meinungsäußerungen undemokratisch verfälscht, unterdrückt oder beschnitten werden.
Ich erwarte von einer großen demokratischen Partei, die für die demokratische Entwicklung Deutschlands in den letzten fünfzig Jahren Schrittmacherdienste geleistet hat, daß auch für sie die Demokratie keine äußere Formalie sondern selbstverständliche Lebensform und Lebensstil ist. Ich erwarte von solch einer Partei, daß auch für sie die Meinungsfreiheit keine mühsame Last ist, die man möglichst meidet, sondern der unersetzliche Treibstoff für den lebensnotwendigen demokratischen Diskurs, den man willig aufgreift und argumentativ austrägt.
Deshalb steht für mich fest, daß auch die CDU kein Interesse daran haben kann, in ihrem Einflußbereich demokratiefremde Zensurmaßnahmen zu dulden. Deshalb werden diese abgestellt, so oder so.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann
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